Hohe Auszeichnung für Essener Taekwondo-Trainer

WAZ Essen 24.04.2020, 11:41 | Lesedauer: 5 Minuten

Theo Körner

Taekwondo-Trainer Gerd Gatzweiler hat von Oberbürgermeister Thomas Kufen die Bundesverdienstmedaille erhalten. Foto: OH

ESSEN.  Gerd Gatzweiler hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Taekwondo heute zum Breitensport zählt. Dafür wurde ihm jetzt eine besondere Ehre zuteil.

Als Gerd Gatzweiler in seinen jungen Jahren eine sportliche Herausforderung suchte, stieß er auf ein Angebot, das ihn aufhorchen ließ. Da er schon mit Judo von einer asiatischen Sportart angetan war, fand er „koreanisches Karate“, wie es damals hieß, vielversprechend. Es sollte fortan sein Leben prägen – und mehr als das. Der heute 74-Jährige hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Taekwondo, so der heutige Name, bekannt wurde und auch als Breitensport beliebt ist. Für sein unermüdliches Engagement hat er jetzt die Bundesverdienstmedaille erhalten.

Koreanische Bergleute importieren Sport nach Deutschland und boten Kurse in Essen an

Aber noch einmal zurück in die 60er Jahre, als die Dinge ihren Lauf nahmen. Wie heute waren auch damals viele Jugendliche von Fußball oder Handball angetan, der gebürtige Essener hatte eher ein Faible für Einzelsport. Da hörte er von südkoreanischen Bergleuten auf den Zechen des Ruhrgebiets, dass sie nach Feierabend ihrem Nationalsport nachgehen und Unterrichtsstunden geben würden. Schon nach wenigen Trainingsstunden war für den langjährigen Mitarbeiter im Krupp-Konzern die Sache entschieden. Er wollte bleiben, denn die Kombination, die er dort kennenlernte, passte genau zu seinen Vorstellungen.

Leistungssport mit verschiedenen Ausprägungen

Zum Leistungssport des Taekwondo gehören zwei unterschiedliche Disziplinen. Zum einen handelt es sich um den Vollkontaktkampf (seit 1988 olympisch), zum anderen um Formenwettbewerb. Hier geht es um technische Sauberkeit und Ästhetik von (festlegten) Bewegungsabläufen. Turniere gibt es bis auf Weltebene.

Die Reihenfolge der Gürtelfarben lautet: weiß, gelb, grün, blau und rot. Beim Schwarzgurt gibt es, wie Gatzweiler erläutert, noch Unterschiede in der Klassifikation, die vom so genannten 1. bis zum 9. Dan reichen.

Damit habe man dann den höchsten Grad erreicht. Im Laufe der Zeit hat der Cheftrainer des RSC bei rund 3.500 Sportlerinnen und Sportlern die Gürtelprüfung abgenommen.

„Handbuch Taekwondo“ heißt der Titel des Buches von Gerd Gatzweiler, das mittlerweile in der 3. Auflage im Meyer & Meyer-Verlag erschienen ist.

Kontakt: DJK RSC/Abt. Taekwondo, Oliver Schulz, Postfach 130452, 45294 Essen, 0201/8398449,info@rsc-essen.de

Wesentliche Merkmale des Taekwondo seien, wie er erläutert, Kraftanstrengung und Geduld ebenso wie Selbstbeherrschung, Fairness und Höflichkeit. Durch manche Filme sei zwar in den Köpfen vieler Leute das Bild eines gewaltbereiten Kampfsports verbreitet, doch das gehe an der Wirklichkeit vollkommen vorbei. Das sagt der Mann, der 1968 zu den ersten drei Deutschen gehörte, die einen Schwarzgurt tragen durften. Sie erfüllten damit die Standards des Taekwondo-Weltverbandes für die obersten Gürtel- und Prüfungskategorien (siehe Box).

Bewegungsformen zu erlernen steht im Mittelpunkt des Taekwondo.Trainings. Foto: OH

Einen neuen Verein in Rüttenscheid gegründet

Gerd Gatzweiler war mittlerweile so in dem Sport aufgegangen, dass er auch viele andere Menschen dafür begeistern wollte. Zunächst gründete er innerhalb des DJK Rüttenscheider Sportclub Essen (RSC Essen) einen der ersten gemeinnützigen Vereine für Taekwondo seiner Art in Deutschland. „Schon bald hatten wir rund 400 Mitglieder und damit genau so viele wie damals Fußball, Tischtennis und Gymnastik zusammen“, merkt er augenzwinkernd an. Ein Jahr später, 1972, gehörte er zu den Mitbegründern des ersten offiziellen deutschen Fachverbandes für Taekwondo innerhalb des damaligen Deutschen Sportbundes (DSB) und hob später den NRW-Landesverband mit aus der Taufe. Einige Zeit danach begab sich der Essener unter die Autoren und schrieb Bücher über die Sportart, die heute als Standardwerke gelten.

Damit möchte Gerd Gatzweiler nicht nur Techniken und Übungsformen vermitteln, sondern auch geschichtliche und kulturelle Hintergründe der Kampfkunst. Als Ausgangspunkt bietet sich der Name selbst an, der drei Begriffe beinhaltet: Tae (übersetzt Fuß), Kwon (Faust) und Do (Weg). In der gesamten Entwicklung der Sportart sei es immer darauf angekommen, dass man lernt, sich mit seinem eigenen Körper, eben mit Faust und Fuß, selbst zu verteidigen, betont Gatzweiler. Waffengewalt sei absolut verpönt.

Vereinsleben gewann immer mehr familiären Charakter

Zu den Höhepunkten in der Historie des koreanischen Nationalsports zähle zweifellos, dass Taekwondo 1988 zur olympischen Disziplin wurde. Damals war Seoul Austragungsort der Wettkämpfe. Der Essener hatte da längst als Trainer große Erfolge im Leistungssport zu verbuchen. Gleich zwei Schüler errangen Weltmeistertitel, mehrere wurden Europameister und die Bronzemedaille für die Deutschen in Seoul erlangte einer seiner Zöglinge. Der RSC Essen war über viele Jahre die erste Adresse für Taekwondo.

Doch nach und nach habe sich die Struktur im Verein gewandelt, blickt der Familienvater zurück. Immer mehr Eltern wollten, dass ihr Nachwuchs den Sport erlerne. Es entstand eine Kindergruppe, die heute von der Anzahl her fast dem Erwachsenenbereich ebenbürtig sei. Dabei habe das Vereinsleben durchaus familiären Charakter gewonnen, denn viele Eltern hätten auch für sich Taekwondo entdeckt. Ob Mädchen, Jungen oder Erwachsene, in dieser Sportart seien die Teilnehmer bestrebt, immer höhere Leistungsstufen zu erreichen. Die Farben ihrer Gürtel gebe Aufschluss, so der Trainer, welchen Grad sie bereits geschafft haben, Weiß sei den Anfängern vorbehalten, Schwarz stehe für die höchste Kategorie.

Training mit Trägern des Schwarzgurtes

Gatzweiler konzentriert sich heute auf das Training von Trägern des Schwarzgurtes. Er selbst hat mit dem 8. Dan die zweithöchste Graduierung erreicht. Rund 25 Sportler finden sich zu den Übungsstunden ein, bei denen anspruchsvolle Techniken den Mittelpunkt bilden. Coranabedingt gilt aber auch hier wie für das gesamte Vereinsprogramm eine Zwangspause. Derweil hält sich Gerd Gatzweiler daheim mit sportlichem Training fit und hat im Übrigen nicht nur in Vereinen und Verbänden Überzeugungsarbeit geleistet. Seine Frau hat auch schon einen Titel geholt, sie wurde 1979 Deutsche Meisterin.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert